Der Fund war glücklich: Die Geschichte der Margherita Sarfatti (1880-1961), einer hochgebildeten Italienerin jüdischer Herkunft, die mit dem militanten jungen Sozialisten Benito Mussolini eine Liaison einging und ihm später auf seinem Weg in den Faschismus folgte, ist ein Stoff, wie er faszinierender nicht gedacht werden kann. Er erlaubt es, die Formen des Romans, der zeitgeschichtlichen Abhandlung und der kulturwissenschaftlichen Analyse zu mischen. Entscheidendes Licht fällt in Karin Wielands Buch auf die kulturellen Voraussetzungen des Faschismus, die von denen des Nationalsozialismus völlig verschieden waren: In Mussolinis Partei versammelten sich steilste Kunstavantgardisten, ehemalige Sozialisten, Syndikalisten, ja Anarchisten und mischten sich mit den Kämpfern der Sturmtruppen, den arditi des Ersten Weltkriegs.
Lorenz Jäger in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 16. Februar 2004
Die Geschichte der Margherita Sarfatti, wie sie Karin Wieland erzählt, ist ein spannendes Stück Zeitgeschichte, das wieder einmal deutlich macht, dass unsere nachträglichen Ein-und Zuordnungen den konkreten Lebensverläufen nicht gerecht werden. Aus der zeitlichen Distanz zum damaligen Geschehen fällt es uns heute schwer zu verstehen, wie das Abenteuer einer emphatischen Moderne junge Menschen zunächst zu den Sozialisten und dann zu den Faschisten treibt und erst recht, wie es kommt, dass eine intellektuelle Jüdin aus großbürgerlichem Haus sich für den Faschismus begeistert. Das Verdienst dieses Buches besteht vor allem darin, dass es den Blick für die Besonderheiten des italienischen Faschismus schärft.
Franziska Sperr in: Süddeutsche Zeitung vom 23. März 2004 (Literatur-Beilage)
Über diese hierzulande wenig bekannte Italienerin, ihren märchenhaften Aufstieg und tragischen Fall hat die Berliner Historikerin Karin Wieland ein faszinierendes Buch geschrieben, die erste deutschsprachige Publikation überhaupt. Unglaublich viel lässt sich aus dieser Biografie über die Geschichte des modernen Italien lernen. Wer an persönlichen Details aus der Beziehung zwischen Sarfatti und Mussolini, gar an Pikantem interessiert ist, wird dagegen weitgehend enttäuscht. (…) Indem das Buch ihre Aufstiegsstrategien, ideologischen Wandlungen und ästhetischen Vorlieben als Symptome für den herrschenden Zeitgeist nimmt, entfaltet es aber eine glänzende Ideen – und Mentalitätsgeschichte Italiens im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert.-
Hubert Leber in: Literaturen vom April 2004
Die Berliner Ideenhistorikerin Karin Wieland legt nun die erste deutsche Biografie über Margherita Sarfatti vor und schildert mit Verve und Einfühlung die ebenso faszinierende wie abstoßende Lebensgeschichte einer Frau vor der Folie der Kultur-und Geistesgeschichte des ersten Drittels des 20. Jahrhunderts. Ihr ist mit diesem Buch eine erhellende Studie über das Verhältnis von Avantgarde und Totalitarismus, Radikalität und Entwurzelung, von Aufbruch und Fortschrittsglaube wie von Zerstörung und absolutem Willen zur Destruktion, von Kunst und Politik, von Lenkung, Befreiung und Entmündigung gelungen. (…) Diese Doppelbiographie von Sarfatti und Mussolini, die bereits der Schutzumschlag signalisiert, bietet hoch interessante Einblicke in die Ideen-und Geistesgeschichte der um 1880 geborenen Generation Europas, die den Ersten Weltkrieg als Fanal des Aufbruchs auffasste, durch diesen traumatisiert von den Schlachtfeldern zurückgekehrt, von der nachfolgenden Alterskohorte wiederum rasch von den Hebeln der Macht verdrängt wurde.
Alexander Kluy in: Frankfurter Rundschau vom 10. Mai 2004
Karin Wieland präsentiert hingegen einige bedenkenswerte Thesen. Auf die beispielsweise irritierende Frage, weshalb eigentlich Margherita Sarfatti und Benito Mussolini den Weg vom Sozialismus zum Faschismus beschritten, meint sie, im Grunde handle es sich um einen Generationenkonflikt. Die jungen Sozialisten konnten sich mit den alten Sozis, die sich innerlich und äußerlich immer noch am 19. Jahrhundert orientierten, nicht anfreunden. Was sich vordergründig als eine Entscheidung zwischen Rechts und Links darstellt, ist tasächlich eine Revolte der Jugend gegen die Alten auf der Suche nach der Moderne. So pflegte Margherita Sarfatti schon ganz früh Kontakte zu den Futuristen. Ihre Hinwendung zum Faschismus ist zudem persönlich gefärbt: Sie hatte für den Tod ihres ältesten Sohnes Roberto, der im Ersten Weltkrieg gefallen war, bei den Sozialisten keine Sinnstiftung gefunden, wohl aber im Faschismus. Solche Interpretationen machen aus dem Buch „Die Geliebte des Duce“, das eben mehr ist als eine eindimensionale Biografie, ein erhellendes Stück Ideengeschichte.
Ina Boesch in: Neue Züricher Zeitung vom 20. Juni 2004