Rezensionen Worte und Blut

Rezension Worte und BlutEs ist ein Buch, das den Blick auf die Kulturgeschichte der Jahre 1000 bis 1500 verändert, ein kühner Parforceritt durch die Jahrhunderte, in denen jenes männliche Selbst entstand, mit dem nicht nur Männer seitdem leben müssen. Das Buch ist ein gelehrtes Werk auf dem Stand der Forschung in Literaturwissenschaft, Soziologie und Geschichte, aber zugleich voller Provokationen für die Fachgelehrten.
Jörg Lau in: Die Zeit vom 11. Februar 1999

Karin Wieland zeigt, wie die eloquente Selbstgeburt der Männer funktioniert, erwähnt am Rande, dass das unter Ausschaltung der Frau funktioniert und deutet nur an, wie vermessen einem das erscheinen könnte. Dabei empfindet der “ männliche “ Leser keineswegs nur Abscheu für die historischen Selbstentwürfe, sondern erkennt durchaus Vertrautes: den unglücklich Liebenden, den einsam Lesenden oder den pedantisch Sortierenden. Karin Wielands Studie bleibt beim klassischen Kanon der europäischen Kultur. Petrarca, Kaiser Friedrich der Zweite, die Kreuzzüge – ohne neue Details. Aber sie macht dieses Vertraute eigentümlich fremd. Genau das ist das Produktive an ihrer Studie, und damit löst sie ein, was Friedrich Nietzsche sich für die Geschichtsschreibung wünschte: dass sie mit dem Messer an die Wurzeln der Vergangenheit greift, dass sie über Pietäten hinwegtrampelt. Deshalb ist Karin Wielands Buch so lesenswert.
René Aguigah im Westdeutschen Rundfunk Köln am 23. April 1999

Die Politologin Karin Wieland legt einen ambitionierten Essay vor über
„Das männliche Selbst im Übergang zur Neuzeit“.
Dieser in der Reihe Gender Studies der Edition Suhrkamp erschienene Band ist der Versuch einer theoretischen Erzählung, die die Verwandlungen eines symbolischen Systems über den Zeitraum von nicht weniger als sechs Jahrhunderten“ aus dem semantischen Repertoire der herrschenden Eliten verfolgt. Das auf den ersten Blick ungewöhnliche Thema „Worte und Blut“ gewinnt die Autorin aus einer „Ursprungsrhetorik der abendländischen Kultur“. (…) Dieser an die Zivilisationsforschung von Benjamin Nelson erinnernde Essay macht gleich anfangs auf die methodologischen Klippen eines solchen argumentativen Verfahrens aufmerksam. Es geht der Autorin weder um die Frage, wie es wirklich gewesen ist, noch um mögliche Motive und Absichten der Beteiligten, sondern um eine dritte Perspektive: „Ins Auge gefasst wird das geschichtliche Fortleben geistiger Schablonen, die den Zuweisungscharakter und die Produktivkraft des menschlichen Einbildungsvermögens bestimmen. Durch ihre historischen Transformationen hindurch erhält sich das konstitutive Schema“: Selbsterschaffung durch Worte und Bindung an das Blut. (…) Der semantische Formenvorrat des archaischen Mottos wird bis in das 15. Jahrhundert hinein verfolgt: als Geschichte einer nicht enden wollenden Variation des Leitmotivs.
Ursula Pasero in: Soziologische Revue, Heft 2, April 2000